Historische Aufnahme aus den 70er Jahren
Modellstadt der Moderne
Um 1955
Mitte der 1950er Jahre, als die Not der Nachkriegsjahre gelindert war, stieg im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Bundesrepublik der Bedarf an Büroflächen. In vielen Städten wurden die Innenstädte für die großen Unternehmen und Verwaltungen zu klein. So auch in Hamburg. Unternehmen müssen zusätzliche Flächen für ihre Mitarbeiter anmieten. Innerstädtischer Wohnraum wird in Büroflächen umgewandelt. Zehn bis 15 Niederlassungen sind keine Seltenheit. Die Wege sind lang, die Kommunikation schwierig. Unter diesen Umständen entscheiden sich viele Großkonzerne für den Neubau von Verwaltungsgebäuden und fordern von der Stadt ein geeignetes Baugrundstück. Wird ihnen dieses verweigert, drohen einige Konzerne, Hamburg zu verlassen. Die Bedeutung Hamburgs als wichtiger Dienstleistungsstandort steht auf dem Spiel.
Bild: Beengtes Arbeiten in der Innenstadt um 1955. © Hamburgisches Architekturarchiv
1957
Werner Hebebrand, Oberbaudirektor in Hamburg von 1952 bis 1965, kam 1956 während einer USA-Reise auf die Idee einer „Zweiten Stadt“. Dort besuchte er unter anderem New York. Die Stadt hatte bereits mit weitaus größeren Expansionsproblemen zu kämpfen. Fasziniert von der Ausdehnung von Upper Manhattan rund um den Central Park, suchte der Oberbaudirektor nach einer vergleichbaren Alternative für die neue Geschäftsstadt in Hamburg. Um jeden Preis will er die Hamburger Innenstadt erhalten. Im Januar 1957 weiht Hebebrand zunächst nur wenige Personen aus seinem engsten Umfeld in seine Idee ein.
Bild: Werner Hebebrand (Mitte) mit Paul Nevermann (links) und Albert Vietor (rechts). © Hamburgisches Architekturarchiv
1959
Auf der Suche nach einem geeigneten Standort für die neuen Verwaltungsgebäude fällt der Blick auf ein 117 Hektar großes Areal nördlich des Stadtparks. Werner Hebebrand war schon 1958 von diesem Standort begeistert. Das Gelände gehört damals der Stadt und beherbergt 4.300 Menschen in 1.250 Behelfsheimen und 1.850 Kleingärten. Nach zähen Verhandlungen werden für diese Menschen Ersatzwohnungen zu erschwinglichen Mieten und neue Kleingärten geschaffen. Am 14. August 1959 stellen Werner Hebebrand und Bausenator Paul Nevermann dem Hamburger Senat die Pläne für eine neue Geschäftsstadt vor. Unter dem Vorsitz von Bürgermeister Max Brauer wird sofort ein Beschluss gefasst. Die City Nord wird gebaut!
Bild: Die Karte aus den 1950er Jahren zeigt das Kleingartengelände auf dem Areal der zukünftigen City Nord. Die Stadtautobahn ist per Hand eingezeichnet. © Archiv GIG City Nord GmbH
1960
Am 16. Dezember 1960 erhebt die Hamburger Bürgerschaft den Aufbauplan 1960 zum Gesetz. Er ersetzt den alten Aufbauplan vom 20. Juli 1950. Herausragender Bestandteil ist das Projekt City Nord. Maßgeblich beteiligt an der Planung der City Nord, die im Bebauungsplan „D 100“ festgeschrieben wird, sind unter der Leitung von Werner Hebebrand: Christian Farenholtz, Gerhard Dreier und Hans Dieter Luckhardt.
Bild: Der Aufbauplan von 1960. © Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
1961
Der Durchführungsplan „D 100“ setzt den Rahmen für die Bebauung der City Nord und definiert die Gestaltung, Struktur und Funktion der Grundstücke. Innerhalb des Rahmens, der unter anderem die Dichte und Höhe der Bebauung sowie die Anzahl der Stellplätze beschreibt, haben die Bauherren bei der Planung ihrer Gebäude Gestaltungsfreiheit nach ihren Bedürfnissen. Zur Qualitätssicherung sind jedoch Architekturwettbewerbe vorgeschrieben. Der Bebauungsplan wird am 19. Juni 1961 beschlossen.
Bild: Der „D 100“. © Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt
1964 - 1971
Der Startschuss für den Bau der City Nord fällt im Osten. Im April 1963 finden die ersten Wettbewerbe statt. Ab 1964 nimmt die City Nord langsam Gestalt an. Die ersten elf Unternehmen, darunter die städtischen Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), die Landesversicherungsanstalt (LVA) und die Landesbank Hamburg, beziehen ihre neuen Verwaltungsgebäude. Weitere große Unternehmen sind Exxon Mobil und BP.
Bild: Luftaufnahme aus dem Jahr 1970. © Hamburgisches Architekturarchiv
1968-1981
Für das zunächst groß angelegte Ziel, im Zentrum der City Nord ein überregionales Versorgungszentrum zu schaffen, das in der weiteren Planung zu einem regionalen Versorgungszentrum für die Beschäftigten zurückgestuft wird, finden sich in der Entstehungszeit der City Nord weder ein konkretes Konzept noch Investoren. Nach mehreren Anläufen wird eine Rahmenplanung für diesen Bereich erstellt. Ein Architektenwettbewerb wird wegen der Ansammlung verschiedenster Einrichtungen nicht durchgeführt. Als erste Bauten entstehen im Süden das Esso-Motor-Hotel (1968-1969), das BP-Parkhaus (1969), das Postamt (1970-1974) sowie Büros, einige Wohnungen und Läden des Deutschen Rings und der Investoren Eberhardt & Kruse sowie Helmut und Hannelore Greve (1968-1972). Der nördliche Bereich, der fast ausschließlich der Firma Prof. Dr. Greve gehört, wird 1980 fertiggestellt.
Bild: Das Zentrum um 1980. © Hamburgisches Architekturarchiv
1971-1977
Der Bau der City Nord läuft auf Hochtouren. Bereits im September 1965 sind sieben der insgesamt zehn Grundstücke für den zweiten Bauabschnitt im Westen verkauft. Hier bauen nun die Oberpostdirektion, Treuarbeit, Edeka, Hamburg-Mannheimer Versicherung, Shell und Texaco. Der Fußgängerverkehr ist vom Autoverkehr getrennt. Die Fußgänger bewegen sich auf einer erhöhten Ebene über Plattformen und Brücken. Unter den Plattformen befinden sich die Garagengeschosse der Unternehmen.
Bild: Luftaufnahme der westlichen City Nord 1974. © ERGO Group
1974
Bereits in den 50er Jahren wurden Pläne für eine neue U-Bahn-Linie, die U4, diskutiert. Sie sollte den Osten Hamburgs mit dem Westen verbinden - zwischen Bramfeld und Altona - und auch die City Nord im Norden und Südwesten anbinden. In den siebziger Jahren wurde die City Nord mit dem U-Bahnhof Sengelmannstraße an die U1 angeschlossen. Das lange Jahre ungenutzte nördliche Bahnsteiggleis der Haltestelle Sengelmannstraße war Zeugnis der nicht realisierten U4. Schuld daran war die Finanzpolitik, die 1974 zu einer Regierungskrise und in deren Folge zu Neuwahlen führte. Der neu gewählte sozialliberale Senat unter dem neuen Bürgermeister Hans-Ulrich Klose beschloss ein umfassendes Sparprogramm, das sich auch auf den U-Bahn-Bau auswirkte.
Bild: Die Zeichnung aus den 1970er Jahren zeigt die Trassenplanung für den östlichen Abschnitt der geplanten U4 vom Hauptbahnhof über Borgweg durch den Stadtpark bis zur U-Sengelmannstraße. © HOCHBAHN
1975-1991
Baulich ist die City Nord 1975 zur Hälfte fertiggestellt. 20.000 Menschen arbeiten in der Bürostadt. Zeit für eine Bilanz. Kritiker sprechen von „Betonstadt“, vom „Scheitern“ und werten die City Nord als „steril“ und „tot“ ab. Andere verteidigen das Modell und sehen in der Konzentration von Bürogebäuden, die auf Wunsch der Unternehmen entstanden, technische Errungenschaften wie Fernkälte und Fernwärme. Dennoch ist der Bauwille vorerst gebremst. In der nördlichen City Nord sind Tchibo und IBM Ende der siebziger Jahre zunächst die einzigen Unternehmen, die ihre Neubauten beziehen. Das letzte Gebäude, das Hewlett Packard Haus, wird erst 1991 fertiggestellt.
Bild: Luftaufnahme mit Sicht auf den Norden der City Nord um 1980. © Tchibo
1977
Bereits in der ersten Planung der Bürostadt von 1959 ist die Grundstruktur des City Nord Parks enthalten. Er wird integraler Bestandteil des „D 100“. Es war die Idee des Architekten Hans Dieter Luckhardt, das Grün des Stadtparks bis in die Bürostadt hinein zu verlängern. 1964 wurde ein landschaftsarchitektonischer Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem Günther Schulze als Sieger hervorging. Sein Freiraumplan von 1967 sieht Wasserbecken vor, die jedoch aus Kostengründen nicht realisiert werden. 1975 legte er die endgültige Grünplanung vor: Blockartige Pflanzgruppen, -reihen und -alleen im Kontext einer streng geometrischen Wegeführung stehen im Kontrast zu den mit homogenen Mulden und Hügeln gestalteten Rasenflächen. Ruhezonen mit Bänken, Rosenbeeten und Abgrenzungen aus Sichtbeton bilden die erholsamen Aufenthaltsbereiche des Parks. Der Park wird 1977 fertiggestellt. Die öffentliche Grünfläche umfasst 100.000 Quadratmeter.
Bild: Der City Nord Park Ende der 1970er Jahre. © Hamburgisches Architekturarchiv
1984
Auf einem der letzten freien Grundstücke in der City Nord weichen die Beteiligten von den Vorgaben der Bürostadt ab. Nixdorf sieht für sein neues Verwaltungsgebäude ein selbst entwickeltes Bürokonzept vor, das seit den 70er Jahren weltweit bei allen Bauten des Paderborner Computerunternehmens zur Anwendung kommt. Es entsteht ein immer gleicher Gebäudetyp mit immer gleichem Bürokonzept und hohem Wiedererkennungswert. Die Stadt verzichtet auf den vorgeschriebenen Architektenwettbewerb. Nixdorf ist auch das erste Unternehmen in der nördlichen City Nord, das den Eingang auf Straßenniveau und nicht auf die erhöhte Fußgängerebene legt. Sein Bauvorhaben gibt den Anstoß, das Hochplateau im Norden aufzugeben und teilweise zurückzubauen. Heinz Nixdorf stirbt 1986 und erlebt die Fertigstellung nicht mehr. Die Firma Nixdorf existiert heute nicht mehr. Das Haus gehört inzwischen der Polaris Immobilienmanagement GmbH, einer Tochtergesellschaft der maxingvest GmbH & Co. KGaA.
Bild: Das ehemalige Nixdorf-Gebäude. © Sylvia Soggia
1987
Bereits Ende der 1970er Jahre kämpfen die Unternehmen in der City Nord erneut mit dem Problem der räumlichen Enge. Die im „D 100“ festgesetzte Geschossflächenzahl von 1,5 erweist sich als zu niedrig. Um neue Entwicklungschancen für die City Nord zu sichern, leitet der Hamburger Senat am 10. März 1981 das neue Bebauungsplanverfahren „Winterhude 7“ ein. Nach vielem politischen Hin und Her wird „Winterhude 7“ am 22. Mai 1986 rechtskräftig.
Bild: Ausschnitt aus dem B-Plan „Winterhude 7“. © Bezirksamt Hamburg-Nord
Die späten 1980er Jahre
Die Energiekrisen 1973, 1974 und 1979 führen zu einer Stagnation der Wirtschaft und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Vor allem die Mineralölkonzerne wie Esso, BP und Deutsche Texaco (heute DEA) bauen Personal ab. Zudem ersetzt der Einzug der elektronischen Datenverarbeitung viele Routinetätigkeiten und damit zahlreiche Arbeitsplätze. Ende der achtziger Jahre gibt es in der City Nord 295 Unternehmen mit rund 20.000 Beschäftigten - 10.000 weniger als zehn Jahre zuvor.
Bild: Blick auf die östliche City Nord um 1980. © Hamburgisches Architekturarchiv
Die 1990er Jahre
Die Grenzöffnung 1989 befreit Deutschland aus der Wirtschaftskrise und sorgt für eine Belebung des Büromarktes. Die Stadt Hamburg bemüht sich um die Ansiedlung neuer Industrie- und Handelsunternehmen und erschließt ein neues Baugebiet - die City Süd. Im Glanz dieses neuen Büroquartiers scheint der Ruf der City Nord fast ruiniert. Die Medien spiegeln ein immer gleiches Meinungsbild wider: Die Bürostadt im Norden ist trist und leblos. Die Großsiedlungen der 1960er und 1970er Jahre werden negativ bewertet, die Architektur gilt als nicht mehr zeitgemäß, die Gebäudetechnik als veraltet.
Bild: Großraum in der ehemaligen Haus der Landesversicherungsanstalt (LVA). © GIG City Nord GmbH
1999
Das schlechte Image veranlasst Architekturstudierende der Fachhochschule Hamburg (heute Hochschule für Angewandte Wissenschaften), sich mit der Erneuerung der City Nord zu beschäftigen. Es entstehen Pläne für ein gemischtes Quartier mit neuen Wohnungen. Ihr Appell zeigt Wirkung. Im Februar 1999 fordert die Bürgerschaft den Senat auf, neue Perspektiven für die City Nord zu entwickeln. Das Leitbild einer funktional vom Wohnumfeld getrennten Bürostadt wird offiziell in Frage gestellt.
Bild: Ehemalige LVA (vorn) und Ursprungsbau der Nova Versicherungen (heute Signal Iduna). © Archiv GIG City Nord GmbH
2000
Entgegen aller Kritik bescheinigt die vom Senat im August 2000 vorgelegte Bestandsanalyse der City Nord „gute Marktchancen“ und „Entwicklungsperspektiven“. Demnach ist die Bürostadt wegen ihrer Nähe zum Flughafen, zur Innenstadt und zum Stadtpark nach wie vor ein gefragter Standort. Eine mögliche Bebauung der öffentlichen Grünflächen schließt der Senat aus. „Ein Großteil der Grünflächen hätte aufgegeben werden müssen, um überhaupt eine gewisse Nutzungsmischung zu erreichen“, heißt es in der Senatsvorlage. Damit wäre ein „konstitutives städtebauliches Qualitätselement“ der City Nord verloren gegangen.
Bild: Eine mögliche Bebauung des City Nord Parks schließt der Senat aus. © Sylvia Soggia
Um 2000
Negativ in die Schlagzeilen geriet die Verlagerung einiger Unternehmenszentralen in andere Stadtteile oder Städte. So verlässt Shell zur Jahrtausendwende 1999/2000 die City Nord, BP und Telekom folgen 2001, die Landesversicherungsanstalt (LVA) und IBM 2002. Aber es werden Flächen neu vermietet oder neu gebaut. Und entgegen allen Unkenrufen bewegt sich der Leerstand in dieser Zeit im Durchschnitt des Hamburger Immobilienmarktes.
Bild: Im Jahr 2001 verlässt BP seine Zentrale. Für dieses Haus findet sich keine neue Nutzung. © Sylvia Soggia
Die 2000er Jahre
Die meisten Häuser in der City Nord sind um die 30 Jahre alt. Der Eindruck, dass sich in dieser Zeit in der City Nord nichts verändert hat, täuscht. Viele Gebäude wurden im Laufe der Jahre immer wieder an neue technische Anforderungen angepasst. Weitgehend unbemerkt blieb, dass Tchibo seine Hauptverwaltung von 1996 bis 1998 kernsanierte und um zwei Etagen aufstockte. Mit dem „Silberling“ entstand Mitte der neunziger Jahre ein Neubau in der westlichen City Nord. Dennoch: Vielerorts sahen die Unternehmen sehr wohl die Notwendigkeit tiefgreifender baulicher Veränderungen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends bekunden sie gegenüber dem Senat ihre „große Mitwirkungsbereitschaft an einem langfristigen Transformationsprozess“.
Bild: Die westliche City Nord. Links das ehemalige PwC-Haus und rechts der „Silberling“. © Sylvia Soggia
2000
1999 schlossen sich Vertreter einiger Unternehmen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und gründeten ein Jahr später die „Grundeigentümer-Interessengemeinschaft City Nord GmbH“. Ihr Ziel: Die City Nord als entwicklungsfähigen und zukunftsträchtigen Immobilienstandort zu stärken und die Bedingungen für die Menschen vor Ort zu verbessern. Seit dem 16. Oktober 2015 firmiert die Gesellschaft unter dem Namen GIG City Nord GmbH". Die GIG versteht sich als Interessenvertretung aller in der City Nord ansässigen Unternehmen - Eigentümer wie Mieter, die die Arbeit der Gesellschaft unterstützen. GIG enthält nicht mehr den Begriff Eigentümer, sondern ist als Wortspiel mit dem englischen Wort gig (deutsch: Auftritt) zu verstehen. Bis heute setzt sich die GIG mit großem Engagement für die Weiterentwicklung der City Nord ein.
Montage: Das GIG-Logo in den Jahren 2000-2011, 2009 (50 Jahre City Nord) und 2011-2018 (von oben nach unten).
2001
Mit dem 2001 fertiggestellten Neubau der Signal Iduna am Kapstadtring 8 beginnt eine große Sanierungs- und Modernisierungswelle in der City Nord. Im Jahr 2003 folgen die Kernsanierung und Aufstockung des Gebäudes „Haus der Wirtschaft“ sowie der Neubau für die damalige HanseNet. 2004 entsteht das neue „Oval Office“ an der Stelle der Landesversicherungsanstalt (LVA) im Osten der City Nord. Gleichzeitig werden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen u.a. in den Häusern EDEKA, ERGO, Tchibo, Vattenfall (heute Arne Jacobsen Haus), LOTTO Hamburg sowie im ehemaligen Queens Hotel (heute Leonardo) durchgeführt.
Bild: Signal Iduna realisiert den ersten Neubau im Osten der City Nord. © SIGNAL IDUNA
2001
Die verschiedenen Initiativen, die City Nord grundlegend zu verändern, riefen bereits 2001 das Denkmalschutzamt auf den Plan. Der Bürostandort als Gesamtanlage sowie acht Einzelgebäude von besonderem Rang sollen unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Eigentümer sind damit nicht einverstanden. Sie befürchten, dass eine Unterschutzstellung die notwendige Modernisierung der Gebäude erschweren würde. Der Konflikt wird im Juli 2003 beigelegt. In einem Schreiben erklärt der damalige Bürgermeister Ole von Beust, dass die City Nord „vorerst“ nicht unter Denkmalschutz gestellt wird. Im Gegenzug verpflichten sich die Eigentümer, den Charakter der City Nord zu erhalten und die Bebauung nicht zu verdichten.
Bild: Bereits Ende der 1970er Jahre zog die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft aus ihrem Gebäude aus. Das Denkmalschutzamt möchte es 2001 unter Schutz stellen. 2004 folgt der Abriss. © GIG City Nord GmbH
2004
Der Abriss der Landesversicherungsanstalt (LVA) am Überseering 10 und der Neubau des „Oval Office“ an gleicher Stelle beschreibt den sukzessiven Abschied veralteter Großraumstrukturen, die vor allem in der östlichen City Nord in den folgenden Jahren den neuen Arbeitswelten in Form von sogenannten „Open Space“ oder „New Working Places“ weichen. Das Oval Office statuiert das erste Exempel, sich nicht mehr an die ursprünglichen Baulinien halten zu müssen, die einst die ersten Bauwerke in der City Nord vorgaben. Und noch etwas verändert sich: 2003 wurde schon das Haus am Überseering 33a als Mietobjekt für die HanseNet gebaut. Das „Oval Office“ ist nun das zweite Bürohaus in der City Nord, das als reines Vermietungsobjekt und nicht für den Eigenbedarf gebaut wird. Die Aspekta Versicherung, die 2004 das „Oval Office“ bezieht, ist nicht Eigentümern des Gebäudes, so wie es bis dato noch fast ausnahmslos die übrige Solitärgemeinschaft in der City Nord vorsieht.
Bild: Das „Oval Office“ ersetzt das ehemalige Gebäude der LVA. © Sylvia Soggia
2006
Im Jahr 2006 wird der Bebauungsplan „Winterhude 39“ öffentlich diskutiert. Er gliedert das Grundstück Überseering 2, auf dem sich die Zentrale der BP befindet, aus dem B-Plan „Winterhude 7“ aus, um hier eine neue und dichtere Nutzung zu ermöglichen. Zu dem Zeitpunkt steht das BP-Haus bereits leer, die Abrissgenehmigung liegt vor. Es soll jedoch noch acht Jahre dauern, bis das Vorhaben in die Tat umgesetzt wird.
Bild: Auszug aus dem B-Plan „Winterhude 39“, © Bezirksamt Hamburg-Nord
2006
Mit der „Kita City Nord“ initiiert die GIG die erste Betriebskindertagesstätte in der City Nord. Sie ist ein in Hamburg erstmaliges Gemeinschaftsprojekt von Unternehmen, einem Kita-Träger und der Stadt Hamburg. Sieben Unternehmen in der City Nord übernehmen den größten Teil der Kita-Baukosten. Die Stadt Hamburg verpachtet das 3.300 Quadratmeter große Gelände am Überseering/Manilaweg an die Elbkinder – Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH, die damalige Bauherrin und bis heute auch Betreiberin der Kita. Im Sinne der Entstehungsgeschichte der City Nord wird ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Im Dezember 2006 eröffnet der damalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust die neue Einrichtung, die für die Betreuung von 60 Kindern ausgelegt ist. Nur drei Jahre später wird die Kita um 40 weitere Betreuungsplätze erweitert.
Bild: Kita City Nord. © Sylvia Soggia
2007
Das Bezirksamt Hamburg-Nord ruft eine Arbeitsgruppe ins Leben, um auf Bezirksebene gemeinsam mit Politikern und Vertretern der Unternehmen und der GIG die Situation in der City Nord zu untersuchen und ihre zukünftige Entwicklung zu erörtern. Folgende Leitziele wurden erarbeitet: 1) Sicherung des Leitbilds „Bürostadt im Grünen“. 2) Sicherung der Parkanlage in ihrer originären Gestaltungsqualität. 3) Öffnung des Planungsrechts zur Sicherung der Nachnutzung von Bürobauten. 4)Verträgliche Nutzungsergänzung sowie strukturelle Nachverdichtung mit ergänzenden Nutzungen. 5) Stärkung der „Mitte“ (Zentrale Zone). 6) Stärkere Vernetzung der City Nord mit ihrem Umfeld. 2008 gibt der Bezirk Hamburg-Nord die Erarbeitung eines Masterplanes City Nord in Auftrag.
Bild: Abschlussbericht der Arbeitsgemeinschaft, © Bezirksamt Hamburg-Nord
2011
Nachdem vor 27 Jahren in Hamburg die Pläne für die damals neue U-Bahnlinie 4 begraben wurden, sagt der Hamburger Senat nun auch das Projekt Hamburger Stadtbahn ab. Die Stadtbahn sollte das bestehende S- und U-Bahnnetz ergänzen und befindet sich bereits in der Planfeststellung, als der neue Erste Bürgermeister Olaf Scholz nach der gewonnenen Bürgerschaftswahl am 5. April 2011 den weiteren Verlauf der Planungen einstellt. Stattdessen soll der Busverkehr ausgebaut werden. Vorangegangen ist ein langjähriges politisches Hin und Her rund um die Planung einer Stadtbahn, wo einmal die CDU die Ziele des rot-grünen Senats nach dem Regierungswechsel ausbremst (2001) und schließlich die SPD das Vorhaben, das diesmal die GAL in ihrem Koalitionsvertrag mit der CDU vorangetrieben hatte, vollends stoppt (2011). Das Netz, das eine Gesamtlänge von 50 Kilometern vorsieht, hätte auch die östliche und südliche City Nord erschlossen.
Bild: Visualisierung der Stadtbahn am Überseering-Ost. © HOCHBAHN
2011
Der Masterplan City Nord zeigt konkrete Ideen zur Weiterentwicklung der Bürostadt auf. Insbesondere setzt er sich mit der Entwicklung der „Mitte“ (Zentrale Zone) auseinander, ein Areal, dass sich in seiner baulichen Struktur von der übrigen Solitärarchitektur in der City Nord stark unterscheidet. Seiner eigentlichen Funktion als Nahversorgungszentrum konnte die Mitte zu keiner Zeit wirklich entsprechen. Daher zielt der Masterplan auf die Stärkung der Mitte und beschreibt drei Varianten von der schrittweisen Veränderung bis hin zur kompletten Neubebauung. Darüber hinaus zeigt der Masterplan in Bereichen im Norden sowie Osten der City Nord Möglichkeiten für eine Neu- bzw. auch Wohnbebauung auf. In anderen Bereichen, insbesondere im Westen der City Nord, sollen dagegen die großstrukturierte Bürofunktion gesichert werden. Auftragnehmer für die Erarbeitung des Masterplanes ist das Stadtplanungsbüro ELBBERG Stadt – Planung – Gestaltung.
Bild: Der Masterplan City Nord. © Bezirksamt Hamburg-Nord
2012
Seit Jahren leidet die City Nord unter dem schlechten Ruf, in der Bürostadt würden viele Flächen leer stehen. Die Zahlen sagen etwas anderes. Seit 2003 überschreitet die City Nord nicht mehr die 10-Prozent-Hürde. Im Jahr 2011 stehen in der City Nord nur noch 1,5 Prozent der Büroflächen frei. Im Jahr 2012 liegt die Leerstandquote sogar bei nur einem Prozent. Seither verzeichnet die City Nord zu keinem Zeitpunkt mehr einen Leerstand von über fünf Prozent, liegt damit weit unter dem Hamburger Durchschnitt und nimmt seither kontinuierlich einen Spitzenplatz im Hamburger Immobilienspiegel ein.
Bild: Statistik Leerstand in der City Nord. Quelle: Grossmann & Berger, GIG City Nord GmbH
2013
Seit dem 5. April 2013 ist es amtlich – mit Inkrafttreten des neuen Denkmalschutzgesetzes nach dem „Ipsa-Lege“-Prinzip („normative Unterschutzstellung“: ein Objekt kann automatisch, ohne fachliches Verfahren, zu einem Denkmal erklärt werden) ist die City Nord ein Denkmal. Als konstituierende Bestandteile gelten folgende Gebäude: Allianz-Haus (ehemals ESSO), Arne-Jacobsen-Haus, EDEKA Zentrale, Haus der Wirtschaft, my4walls am Kapstadtring 1 (ehemals Claudius Peters AG), Tchibo mit dem ehemaligen IBM-Haus, ERGO mit dem ehemaligen Shell-Haus. Darüber hinaus sind die Straßen, die Fußgängerbrücken und der City Nord Park unter Schutz gestellt. Insgesamt besteht für die City Nord Ensemble-Schutz.
Bild: Auch die Fußgängerbrücken stehen unter Denkmalschutz. © Sylvia Soggia
2013
Das damalige HEW-Haus wurde zu einer Zeit errichtet, in der die Technisierung von Gebäuden im Vordergrund stand und der Energieverbrauch keine große Rolle spielte. Vor diesem Hintergrund ist es nicht selbstverständlich, dass ein vollklimatisiertes Verwaltungsgebäude aus den sechziger Jahren heute als Vorzeigeobjekt für eine nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung gilt. Mit „Platin“ erhält Vattenfall am 11. Dezember 2013 die höchste Auszeichnung, die einem Gebäude in der LEED Systemvariante „LEED for Existing Buildings – Operation and Maintenance“ (übersetzt: LEED für Bestandsgebäude – Bewirtschaftung und Nachhaltigkeit“) verliehen werden kann. Das Haus ist das erste in Hamburg und erst das vierte bundesweit, das diese Zertifizierung erhält. Das Bewertungsverfahren erfasst alle Aspekte des Gebäudebetriebes.
Bild: Das Vattenfall-Haus wird mit LEED Platinum ausgezeichnet. © GIG City Nord GmbH
2014
Der Bebauungsplan „Winterhude 39“, der das Grundstück Überseering 2, auf dem sich ehemals die Zentrale der BP befand, aus dem B-Plan „Winterhude 7“ ausgliedert, ermöglicht eine neue und dichtere Nutzung auf diesem Areal. 2014 beginnt der Abriss der BP-Zentrale. Eine Planung, die Grundzüge des im Jahr 2013 unter Denkmalschutz gestellten Gebäudes zu erhalten, wird nicht verwirklicht. Das Grundstück wird geteilt und beherbergt die neue Verwaltung der Deutschen Telekom am Überseering 2 (Eröffnung 2016) und das neue 4-Sterne-Hotel Holiday Inn am Kapstadtring 2a (Eröffnung 2017).
Bild: Das Holiday Inn (links) und die Zentrale der Deutschen Telekom (rechts). © Sylvia Soggia
2016
Erstmals wird in der City Nord auf einem Areal der Solitärarchitektur Wohnbebauung ermöglicht. Das ehemalige Gebäude der Oberpostdirektion, allgemein auch als „Postpyramide“ oder „Affenfelsen“ bekannt, stand bereits seit 2006 zum Großteil leer. Der Sanierungsstau war groß, eine Neuvermietung wurde trotz vielfältiger Bemühungen seitens der Eigentümer und Makler nicht realisiert. Auch für dieses Areal wird ein neuer Bebauungsplan erarbeitet. Der „Winterhude 71“, der das Grundstück am Überseering 30 aus dem B-Plan „Winterhude 7“ ausgliedert, wird im Januar 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt. 2017 beginnt der Abriss der „Postpyramide“. In den folgenden Jahren entstehen auf dem Areal Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 48.000 qm und rund 18.000 qm Gewerbeflächen. Das Erscheinungsbild insgesamt entspricht dem Solitärcharakter der City Nord.
Bild: Visualisierung der Wohnbebauung am Überseering 30. © KBNK Architekten / Bloom Images
Bau der U5
2022
Versprochen war die Anbindung der City Nord an die Schiene auch im südwestlichen Bereich bereits in den 1970er Jahren. Nun realisiert die Stadt Hamburg den Bau einer neuen U-Bahnlinie, die U5. Die Trasse der U5 verläuft teilweise entsprechend der alten Planungen zur U4 aus den siebziger Jahren. Die Linie U4 selbst wurde mittlerweile an anderer Stelle realisiert; sie erschließt die Hafen City. Im ersten Bauabschnitt misst die Strecke der neuen U5 über sieben Kilometer. Sie wird die Stadtteile Bramfeld, Steilshoop und Barmbek-Nord an das Schnellbahnnetz anschließen, im weiteren Verlauf über Umsteigemöglichkeiten an den Haltestellen Rübenkamp und Sengelmannstraße verfügen und schließlich die westliche City Nord erreichen. Sechs Haltestellen sind geplant: Bramfeld, Steilshoop, Barmbek-Nord, Sengelmannstraße und City Nord (Stadtpark). Mit einem feierlichen Spatenstich starteten am 30.9.2022 die Bauarbeiten.
Bild: Der Linienverlauf der U5 im ersten Bauabschnitt. © HOCHBAHN